„Ein Mensch, der von der Quantentheorie nicht schockiert ist, hat sie nicht verstanden.“ Niels Bohr hat es auf den Punkt gebracht. Das einzige Problem: Wie soll man es verstehen? Einsteins Relativitätstheorien haben die Physik revolutioniert und gleichzeitig unsere „normale“ Wahrnehmung von Raum und Zeit auf den Kopf gestellt. Wer aber denkt, dass unser logisches Empfinden hier schon an die Grenzen geführt wird, hat sich noch nicht mit der Welt der Quanten beschäftigt. „Spukhafte Fernwirkung“ nannte Einstein das quantenmechanische Phänomen der „Verschränkung“. Bis zu seinem Lebensende versuchte er die Quantentheorie zu vervollständigen, da sie seiner Meinung nach unvollständig ist und sich bis heute nicht in Einklang mit der Allgemeinen Relativitätstheorie bringen lässt.

 

„Gott würfelt nicht.“

„Die Quantenmechanik ist sehr achtunggebietend. Aber eine innere Stimme sagt mir, dass das noch nicht der wahre Jakob ist. Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass der nicht würfelt.“ 80 Jahre später hat die Quantenmechanik praktisch jeden experimentellen Test mit Bravour bestanden und gilt als eine der am besten überprüften Disziplinen der modernen Wissenschaft. Die mathematischen Grundlagen, die zwischen 1925 und 1935 formuliert wurden, haben bis heute Bestand und bilden die Basis für enorme Fortschritte in Kernphysik, Atomphysik, Festkörperphysik und Teilchenphysik. Aber mathematische Gleichungen sind lange nicht alles, wenn Wissenschaftler anfangen sich über die Quantenmechanik den Kopf zu zerbrechen.

Die Debatte zwischen den Nobelpreisträgern Niels Bohr und Albert Einstein um die Grundlagen der Quantenphysik bildet ein besonders ergiebiges Kapitel der Wissenschaftsgeschichte.
Die Debatte zwischen den Nobelpreisträgern Niels Bohr und Albert Einstein um die Grundlagen der Quantenphysik bildet ein besonders ergiebiges Kapitel der Wissenschaftsgeschichte. Foto: Paul Ehrenfest

„Spukhafte Fernwirkung“

Man stelle sich zwei Menschen vor, die sich am Flughafen treffen. Sie sitzen an einen Tisch und jeder hat einen Würfel. Immer wenn sie gleichzeitig würfeln, erhalten sie die gleiche Augenzahl. Nach einer Stunde steigen beide in ihren Flieger – der eine möchte nach New York, der andere nach Singapur. Sie würfeln auch getrennt voneinander weiter und ganz egal, wo sie sich befinden, würfeln beide weiterhin immer die gleiche Augenzahl. Zwischen den Würfeln scheint es eine geheimnisvolle Verbindung zu geben. So könnte man die „spukhafte Fernwirkung“ – die sogenannte „Verschränkung“ – beschreiben, von der Einstein sprach. Verschränkte Teilchen, etwa zwei Photonen, bleiben auch über große Distanzen miteinander verbunden. Und nicht nur das: Der Zustand der beiden Teilchen ist unbestimmt. Bestimmt ein Forscher aber den Zustand eines der beiden verschränkten Teilchen, ist somit augenblicklich auch die Eigenschaft des zweiten Teilchens bestimmt, ganz gleich wie weit weg es ist. Oder am Würfelbeispiel ausgedrückt: Könnte man zwei Würfel verschränken, wüsste man bis zur Messung nicht, welche Augenzahl sie zeigen. Nach der Messung würde aber mit Sicherheit bei beiden Würfeln die gleiche – zufällige – Seite nach oben zeigen. An dieser Stelle merkt Euch ein wichtiges Detail: Erst wenn ein Beobachter eine Messung vornimmt, entscheidet sich der Zustand!

Zwei verschränkte Würfel würden absolut zufällige, aber immer gleiche Zahlen zeigen. Dabei würde zwischen den Quantenwürfeln keinerlei Information ausgetauscht. Quelle: A. Franzen, Albert-Einstein-Institut
Zwei verschränkte Würfel würden absolut zufällige, aber immer gleiche Zahlen zeigen. Dabei würde zwischen den Quantenwürfeln keinerlei Information ausgetauscht. Quelle: A. Franzen, Albert-Einstein-Institut

Die Quantenmechanik ist eine Herausforderung an den gesunden Menschenverstand

Die sogenannte Quantenverschränkung ist eines der seltsamsten Phänomene, das die Physik zu bieten hat. Woran sich Einstein störte, ist die „Lokalität“ eines Objektes oder Teilchens: Räumlich getrennte Objekte sind voneinander unabhängig und können nicht überlichtschnell miteinander interagieren; es gibt keine augenblicklichen Fernwirkungen. Man kann im Prinzip zu jeder Zeit sagen, wo sich ein bestimmtes Objekt befindet und wie es sich verhält. Die Quantenmechanik hat dazu aber eine ganz andere Meinung, denn Objekte oder Teilchen verhalten sich in der mikroskopischen Welt ganz anders, als wir es uns vorgestellt haben.

 

Das Doppelspalt-Experiment

„Das Doppelspaltexperiment enthält das ganze Geheimnis der Quantenmechanik. Sämtliche Paradoxe, Geheimnisse und Absonderlichkeiten der Natur sind darin enthalten. Bei jeder x-beliebigen anderen Situation in der Quantenmechanik genügt dann der Hinweis: Sie erinnern sich an das Experiment mit den zwei Löchern?“, so schreibt es Richard Feynman, amerikanischer Physiker und Nobelpreisträger, in seinem Buch „Vom Wesen physikalischer Gesetze“. Aber gehen wir erst einmal ein Stück in der Zeitgeschichte zurück.

Als im 17. Jahrhundert die Gesetze der geometrischen Optik näher erforscht wurden, entstanden zwei konkurrierende Theorien: Christiaan Huygens (1629–1695) konnte die optischen Gesetze mithilfe der Wellenvorstellung deuten. Isaac Newton (1643–1727) hingegen interpretierte das Licht aus einem Strom aus Partikeln. Dank der größeren Autorität Newtons, setzte sich seine Theorie erst einmal durch. 100 Jahre später, nämlich 1802, schickt der Arzt und Physiker Thomas Young Licht durch einen Doppelspalt um die Wellennatur von Licht zu beweisen und siehe da: Es kommt zu sogenannten Interferenzen. Ein Phänomen, dass man sich damals nur für Wellen vorstellen konnte. Es braucht weitere 159 Jahre und eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Entdeckungen, bis das Doppelspaltexperiment nicht nur mit Licht, sondern auch mit kleinsten Teilchen durchgeführt werden konnte, wie z.B. mit Elektronen oder Photonen.

 

Wir starten unseren ersten Doppelspalt-Versuch mit Murmeln

Der Versuchsaufbau des Doppelspaltexperiments ist ganz einfach: Man lässt Teilchen auf eine Platte auftreffen, in der sich zwei schlitzförmige Öffnungen befinden sind. Einen Spalt kann man schließen, so dass nur ein Schlitz geöffnet ist. Hinter der Platte befindet sich ein Detektorschirm, auf dem die Einschläge der Teilchen abgebildet werden.

Im ersten Versuch, schließen wir einen Schlitz und beschießen die Platte mit ganz klassischen Objekten, z.B. mit Murmeln. Entsprechend erkennt man auf dem Detektor deren Einschläge in Form des Schlitzes.

Doppelspaltexperiment_01
Quelle: Uni München/Mathematik

 

Wiederholt man den Versuch mit zwei geöffneten Schlitzen, erhält man – wie erwartet – zwei Abbildungen. So weit, so klar.

 

Doppelspaltexperiment_02
Quelle: Uni München/Mathematik

 

Gleicher Versuch, diesmal mit einer Welle

Nun machen wir den gleichen Versuch mit einer Welle. Wieder öffnen wir erst nur einen Schlitz und wie erwartet finden wir auf dem Detektor die Abbildung der stärksten Welle direkt gegenüber des Schlitzes, wie schon bei unserem ersten Versuch mit den Murmeln.

Wiederholen wir den Wellenversuch mit zwei geöffneten Schlitzen, wird es etwas komplizierter. In diesem Fall trifft die Welle gleichzeitig auf zwei Schlitze. Von beiden Schlitzen gehen nun jeweils kleinere Wellen aus, die sich überlagern und ein komplexes Muster bilden: Treffen zwei Wellenberge aufeinander verstärken sie sich; treffen ein Wellenberg und ein Wellental aufeinander, löschen sie sich aus. Auf dem Detektorschirm erscheint nun das typische Interferenzmuster für Wellen.

Gleicher Versuch, diesmal mit einer Welle Nun machen wir den gleichen Versuch mit einer Welle. Wieder öffnen wir erst nur einen Schlitz und wie erwartet finden wir auf dem Detektor die Abbildung der stärksten Welle direkt gegenüber des Schlitzes, wie schon bei unserem ersten Versuch mit den Murmeln. Wiederholen wir den Wellenversuch mit zwei geöffneten Schlitzen, wird es etwas komplizierter. In diesem Fall trifft die Welle gleichzeitig auf zwei Schlitze. Von beiden Schlitzen gehen nun jeweils kleinere Wellen aus, die sich überlagern und ein komplexes Muster bilden: Treffen zwei Wellenberge aufeinander verstärken sie sich; treffen ein Wellenberg und ein Wellental aufeinander, löschen sie sich aus. Auf dem Detektorschirm erscheint nun das typische Interferenzmuster für Wellen.
Das Verhalten vom Wellen im Doppelspaltexperiment. Quelle: Uni Graz/Physik

 

Doppelspaltexperiment_04
Entstehung des Interferenzmusters auf dem Detektorschirm. Quelle: mbaselt.de

 

Doppelspaltexperiment_05
Interferenzmuster für Wellen. Quelle: Wikipedia

 

Wer sein logisches Empfinden ausschalten kann, ist ab hier klar im Vorteil.

Solange wir von klassischen Objekten wie unseren Murmeln oder von Wellen sprechen, bewegen wir uns auf gewohntem Terrain. Jetzt begeben wir uns aber in den Mikrokosmos der Elektronen, Photonen, Atome oder Moleküle.

Wie bereits im ersten Versuch mit den Murmeln, beschießen wir die Wand – nur ein Schlitz ist geöffnet – nun mit Photonen. Erwartungsgemäß zeigt der Detektorschirm einen Streifen, dort wo die Photonen eingeschlagen sind. Nun öffnen wir beide Schlitze. Nach klassischer Physik müsste sich das Photon jetzt entscheiden: links oder rechts. Und entsprechend müsste es dann auf dem Detektorschirm zu sehen sein: Eine Streifenabbildung links, für alle Photonen, die durch den linken Schlitz geflogen sind und eine Abbildung rechts, für alle Photonen, die durch den rechten Schlitz geflogen sind – also so, wie wir es schon bei den Murmeln beobachten konnten. Aber nichts da: Der Detektorschirm zeigt ein Interferenzmuster, wie wir es von Wellen kennen! Aber wie kann sich ein Photon wie eine Welle verhalten, obwohl wir es bisher einwandfrei für ein Teilchen gehalten haben? Immerhin sind Teilchen die Grundbausteine unserer Materie.

Um auszuschließen, dass sich die Photonen beim Schießen auf die Wand irgendwie gegenseitig in ihrem Richtungsverlauf beeinflussen in dem sie voneinander abprallen, wiederholen wir den Versuch und schießen immer nur ein einziges Photon zur Zeit ab. Es nützt nichts: Wieder erscheint das Interferenzmuster!

Dies kann nur eines bedeuten: Scheinbar hat das Photon gleichermaßen die Eigenschaften von Wellen UND von klassischen Teilchen. Im Bereich der klassischen Physik ist das praktisch unmöglich, denn beide Eigenschaften schließen sich gegenseitig aus. Aber das ist noch lange nicht alles.

Mathematisch gesehen ist es noch viel sonderbarer: Das Teilchen fliegt gleichzeitig durch beide Schlitze – und auch durch keines davon. Und es fliegt nur durch einen Schlitz – oder durch den anderen. All diese Möglichkeiten überlagern sich!

Das Elementarteilchen verhält sich im Doppelspaltexperiment wie eine Welle – sofern nicht gemessen bzw. beobachtet wird.
Das Elementarteilchen verhält sich im Doppelspaltexperiment wie eine Welle – sofern nicht gemessen bzw. beobachtet wird.

Der Beobachter hat scheinbar eine ganz besondere Rolle

Die Ergebnisse des Doppelspaltexperiments waren für Wissenschaftler so verblüffend, dass sie sich überlegten noch einmal ganz genau hinzusehen um herauszufinden, durch welchen Schlitz das Teilchen denn nun genau fliegt. Also positionierten sie ein Messinstrument an einem der Schlitze und feuerten erneut Photonen auf die Wand. Erwartet ihr jetzt, dass sich wieder ein Interferenzmuster abbildet? Pustekuchen! Als die Photonen durch das Messinstrument beobachtet wurden, verhielten sie sich plötzlich wieder wie kleine Murmeln und erzeugten auf dem Detektor zwei Streifen! Allein der Vorgang der Messung bzw. der Beobachtung führte dazu, dass die Wellenfunktion zusammenbrach und das Photon sich wie ein Teilchen verhielt – und zwar rückwirkend, auch in ihrer eigenen Vergangenheit!

Sobald ein Beobachter oder Messgerät versucht herauszufinden, durch welchen Spalt sich das Photon bewegt, verhält es sich wie ein Teilchen.
Sobald durch einen Beobachter oder Messgerät versucht wird herauszufinden, durch welchen Spalt sich das Photon bewegt, verhält es sich wie ein Teilchen.

Scheinbar entscheidet sich das Photon erst im Augenblick der Messung für einen neuen Eigenzustand. Vor der Messung kann man den Zustand als Überlagerung aller möglichen Eigenzustände auffassen. Diese Überlagerung nennt man Superposition.

Frontalangriff auf den gesunden Menschenverstand

Wie wir es auch drehen und wenden: Im Mikrokosmos der kleinsten Teilchen ist nichts absolut, sondern „unscharf“. Quantenobjekte sind scheu, schemenhaft, geisterhaft, überall und nirgends. Sie halten sich in einem Überlagerungszustand auf, sind Weder-Noch-Objekte. Sie führen ein Doppelleben: Materie-Teilchen sind Wellen, Lichtwellen sind Teilchen. Wenn man sie beobachtet, bricht ihre Doppelnatur in sich zusammen. Die Kausalität, also Ursache und Wirkung, wie wir sie aus dem täglichen Leben und aus der klassischen Physik kennen, wird durch Zufall ersetzt. Fassungs- und verständnislos stehen wir vor dem Geheimnis der Verschränkung: Teilchen handeln noch in Lichtjahren Entfernung wie siamesische Zwillinge, quasi mit „einem simultan agierenden Gehirn“. Bis heute ist die Verschränkung von Quantenteilchen DER Frontalangriff auf unseren gesunden Menschenverstand.

 

„Existiert der Mond auch dann, wenn wir nicht hinsehen?“

„Existiert der Mond auch dann, wenn wir nicht hinsehen?“ war eine nicht ganz ernst gemeinte Frage von Albert Einstein an Niels Bohr. Der war nämlich der Auffassung, dass wir nicht davon ausgehen dürfen, dass die Dinge, die wir beobachten auch vor ihrer Beobachtung so existieren. Aber was bedeutet das dann für die Wahrnehmung der Wirklichkeit um uns herum? Existieren parallel andere Welten in verborgenen, sozusagen in unbeobachteten Bereichen? Gibt es überhaupt einen Zufall? Und was hat das alles mit einer Katze zu tun? Darüber berichten wir in Kürze 😉

Von Redaktion

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